Was ist eigentlich UK?
Der Begriff Unterstützte Kommunikation (Abkürzung UK) bezeichnet alle Kommunikationsformen für Menschen mit schwer verständlicher, begrenzter oder fehlender Lautsprache, die die unzureichende Lautsprache unterstützen. Im englischen wird der Begriff AAC (Augmentative and Alternative Communication) hierfür verwendet (Boenisch 2013, Braun 2008).
Zu den Methoden der UK gehören körpereigene und körperfremde Kommunikationsformen, welche die vorhandenen Kommunikationsfähigkeiten individuell abgestimmt ergänzen, ersetzen und erweitern. UK bietet also für Menschen jeden Alters, die kaum, gar nicht, oder nicht mehr ausreichend lautsprachlich kommunizieren können, Alternativen, um sich wirksam mitteilen zu können (von Tetzchner & Martinsen 2000). So kann Sprache und Kommunikation ermöglicht werden.
Fehlende Kommunikationsmöglichkeiten und Kommunikationseinschränkungen haben umfangreiche negative Folgen und beeinträchtigen die Lebensqualität von Menschen aller Altersklassen. Häufige Probleme wie Missverständnisse, problematische Verhaltensweisen, Frustration oder Gefühle von Isolation können durch passende Kommunikationsformen der UK vermieden werden (von Tetzchner & Martinsen 2000, Kitzinger et al. 2008).
Menschen mit sprachlich-kommunikativen Einschränkungen haben in Deutschland einen gesetzlichen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe. Dazu gehört nach dem neunten Sozialgesetzbuch auch das Fördern der Verständigung mit dem Umfeld (Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz 2001). UK leistet dazu einen wertvollen Beitrag und unterstützt Partizipation, Inklusion und Selbstständigkeit.
Gibt es eine Voraussetzung für UK?
Der Einsatz von UK ist voraussetzungslos und orientiert sich stehts an den Ressourcen des Einzelnen, nicht an seinen Defiziten. Bei Kindern und Jugendlichen, die UK benötigen, sollte idealerweise möglichst früh damit begonnen werden, um die Chancen für erfolgreiche Kommunikationserfahrungen zu erhöhen.
Es ist jedoch in jedem Alter und unabhängig von der Schwere der Kommunikationsbeeinträchtigung oder dem sprachlichen Entwicklungsstand möglich, mit UK zu beginnen. Auch das Verstehen von gesprochener Sprache ist keine Voraussetzung für den Einsatz von UK, denn UK unterstützt auch das Sprachverständnis und ermöglicht das Erlernen von Sprache und Kommunikation (Boenisch 2013b; Kaiser-Mantel 2012; Kitzinger et al. 2008; Kristen 2000).
Wer braucht UK und warum?
UK hilft Menschen, die aufgrund von angeborenen oder erworbenen Erkrankungen und/oder Behinderungen kaum oder gar nicht sprechen können. UK-Nutzer sind Kinder, Jugendliche oder Erwachsene, die sich ohne alternative und ergänzende Kommunikationsformen nicht ausreichend mitteilen können (Wilken 2018).
UK wird dabei aus verschiedenen Gründen benötigt (Kaiser-Mantel 2012, von Tetzchner & Martinsen 2000):
1. UK als Ausdrucksmittel
Kinder, Jugendliche oder Erwachsene, die über ein gutes Sprachverständnis verfügen, jedoch sprechmotorisch stark eingeschränkt sind, erhalten durch den Einsatz von UK ein Ausdrucksmittel. In diese Gruppe fallen zum Beispiel Personen mit einer schweren Dysarthrie oder Anarthrie, die ein gutes Sprachverständnis haben.
2. UK zur Unterstützung des Spracherwerbs oder Wiedererwerbs
UK schafft für Kinder mit beeinträchtigter Sprachentwicklung oder Menschen mit kognitiven Einschränkungen eine Basis für den erstmaligen Spracherwerb. Auch der Wiedererwerb von sprachlich-kommunikativen Fähigkeiten nach Erkrankungen kann durch UK gefördert werden. Mit UK können das Verstehen und der Gebrauch von (verbaler) Sprache unterstützt werden.
3. UK zur Unterstützung der vorhandenen Sprache
Für Kinder, Jugendliche oder Erwachsene, die über eine nur wenig verständliche Lautsprache verfügen, stellt UK in Gesprächen mit Unbekannten oder unter ungünstigen Kommunikationsbedingungen eine Möglichkeit dar, sich klarer verständlich zu machen.
4. UK als Ersatzsprache
Für Menschen, die Lautsprache gar nicht oder nur in sehr begrenztem Maße einsetzen und verstehen können, stellt UK eine Ersatzsprache dar. UK sollte deshalb hier möglichst früh etabliert werden, damit sie dem Betroffenen zu eigen werden kann. Da sowohl das Produzieren als auch das Verstehen von Sprache eingeschränkt sein können, müssen auch die Gesprächspartner UK einsetzen, damit die Verständigung gelingen kann.
Verhindert UK das Sprechen?
Häufig wird angenommen, dass eine ersetzende oder unterstützende Kommunikationsform, wie beispielsweise ein elektronisches Kommunikationsgerät, die Entwicklung der Lautsprache verhindern oder vorhandene Sprechfähigkeiten verringen könnte. Zahlreiche Studien belegen jedoch exakt das Gegenteil, nämlich dass UK in vielen Fällen einen Weg zur Lautsprache für kommunikationsbeeinträchtigte Menschen darstellt und dass UK und Lautsprache sich nicht ausschließen. Forschungsarbeiten zu den Effekten von UK auf die Lautsprache liegen u. a. von Millar et al. (2006), Schlosser & Wendt (2008), Leech & Cress (2011), Schlosser (2001) oder Wilken (2005) vor. Zudem ist auch die positive Auswirkung von UK auf Verhaltens- und Regulationsstörungen wissenschaftlich eindeutig bestätigt (Walker & Snell 2013).
Wie funktioniert UK?
Ebenso vielfältig wie die Nutzer von UK gestalten sich die Methoden. Diese lassen sich unterteilen in körpereigene und körperferne, (synonym dazu körperfremde, körperexterne oder hilfsmittelgestützte) Kommunikationsformen (Kaiser-Mantel 2012, Lüke & Vock 2019).
- Körpereigene Kommunikationsformen bedürfen keiner externen Hilfsmittel bzw. Kommunikationshilfen. Sie betreffen unter anderem Blickkontakt, Atmung, Gestik, Mimik und Körperhaltung, sowie Gebärden und Handzeichen.
- Körperferne Kommunikationsformen sind elektronische und/oder nichtelektronische Kommunikationshilfen. Gegenstände, Fotografien, Symboltafeln oder Kommunikationsmappen sind nichtelektronische Hilfen. Kommunikationsgeräte zählen zu den elektronischen Kommunikationshilfen.
Körpereigene Kommunikation kann durch Kommunikationshilfen ergänzt werden und umgekehrt. Je mehr verschiedene Mittel zur Kommunikation eingesetzt werden, desto sicherer ist das Verständnis der Mitteilung. UK verfolgt somit einen Ansatz der umfassenden Kommunikation. Das bedeutet, sämtliche Möglichkeiten auszunutzen, um dem nicht sprechenden Menschen ein wirksames Kommunikationssystem bereitzustellen und so eine größtmögliche Effektivität zu erzielen.
UK ist stehts multimodal, es werden verschiedene Kommunikationsformen miteinander verknüpft. Zudem ist UK immer individuell, der einzelne Benutzer und seine kommunikativen Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt (Hauber 2015, Pivit 2008).
Elementar für ein erfolgreiches Kommunizieren mit UK ist, dass die Kommunikation mit der jeweiligen Kommunikationsform für die Betroffenen motorisch und kognitiv ohne Anstrengung und Überforderung ausführbar ist. Ansteuerung und Selektion bezeichnen die Art und Weise des Gebrauchs einer Kommunikationshilfe. Da Personen mit kommunikativen Einschränkungen oft auch besondere motorische Bedürfnisse haben, gibt es dabei vielfältige Möglichkeiten eine Kommunikationshilfe zu bedienen. Dazu gehören Touch-Screens, z. T. mit Fingerführungshilfen, die Verwendung von Tastern oder Mausersatzgeräten oder auch Augensteuerungen. Die Kommunikationshilfen müssen deshalb individuell auf den Betroffenen und seine Fähigkeiten angepasst werden.
Ebenfalls zentral ist der Wortschatz auf und mit der UK-Kommunikationsform, bzw. das sprachliche Angebot auf der Kommunikationshilfe. Oberflächen von Kommunikationshilfen bieten deshalb u. a. Fotos, Symbole, Symbole in Verbindung mit Schrift, oder auch nur Schriftsprache an, um Menschen mit unterschiedlichen Entwicklungsständen, Bedürfnissen und Anforderungen Kommunikation zu ermöglichen. Bei einer elektronischen Kommunikationshilfe mit Sprachausgabe werden die ausgewählten Wörter oder Mitteilungen dann durch eine synthetische Stimme oder zuvor eingespeicherte Aufnahmen versprachlicht (Lüke & Vock 2019). Daher werden Kommunikationshilfen auch weiterhin unterschieden nach ihrem sprachlichen Angebot (Breul 2011).
Die vielfältigen Geräte werden kategorisiert als Hilfen zur Kommunikationsanbahnung, einfache Kommunikationsgeräte mit Symboleingabe, dynamische Kommunikationsgeräte mit Symbol- und/oder Schrifteingabe und Kommunikationshilfen mit Schrifteingabe.
Um die geeigneten Kommunikationsformen für Personen mit UK-Bedarf zu finden, ist es daher wichtig, zunächst festzustellen, welche sprachlich-kommunikativen, kognitiven und motorischen Ressourcen vorhanden sind. Anschließend können geeignete Kommunikationsformen und Ansteuerungen erprobt und erlernt werden. Dabei ist es wichtig, Menschen, die mit UK kommunizieren, ausreichend Zeit und auch angemessene Unterstützung anzubieten. Gerade am Anfang des UK-Prozesses können methodische Hinweise und Ideen für die Gestaltung von Interaktionssituationen den Bezugspersonen helfen, die Kommunikation mit UK im Alltag zu fördern. Denn Kommunikation ist immer ein wechselseitiger Austausch, zu dem auch die Gesprächspartner entscheidend beitragen (Wilken 2018).
Bei jedem Schritt von der Feststellung des Bedarfs, der fachlichen Beratung und Erprobung von Kommunikationshilfen sowie der Anpassung, Einrichtung und methodischen Schulung steht dabei das Team von RehaMedia an Ihrer Seite!
Quellen:
- Boenisch, J. (2013): Unterstützte Kommunikation. In: Theunissen, G., Kulig, W. & Schirbort, K. (Hrsg.): Handlexikon Geistige Behinderung. Schlüsselbegriffe aus der Heil- und Sonderpädagogik, Sozialen Arbeit, Medizin, Psychologie, Soziologie und Sozialpolitik (383–386). Stuttgart: Kohlhammer.
- Braun, U. (2008): Was ist Unterstützte Kommunikation? In: von Loeper Literaturverlag & isaac- Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation e.V. (Hrsg.): Handbuch der Unterstützten Kommunikation (01.003.001-01.005.001). Karlsruhe: Von Loeper Literaturverlag.
- Breul, W. (2011): Elektronische Kommunikationshilfen - Ein Überblick. In: von Loeper Literaturverlag & isaac-Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation e.V. (Hrsg.): Handbuch der Unterstützten Kommunikation (04.005.001-04.011.001). Karlsruhe: Von-Loeper-Literaturverlag.
- Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (2001): Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. SGB IX.
- Hauber, E. (2015): Sprach- und Kommunikationstherapie mit elektronischen Kommunikationsgeräten: Eine Einzelfallstudie am Beispiel der elektronischen Kommunikationshilfe MyCore. Abschlussarbeit zur Erlangung des Bachelor of Arts im BA-Studiengang Sprachtherapie an der Ludwig-Maximilians- Universität München. Erschienen in der epub- Reihe „Sprachheilpädagogik und Sprachtherapie“- “Speech Language Therapy and Special Education”. Herausgegeben von Prof. Dr. M. Grohnfeldt und Dr. K. Reber. URL: epub.ub.uni-muenchen.de/25408/1/ver%C3%B6ffentlichung-elena%20hauber.pdf (Aufruf am 06.11.2017).
- Kaiser-Mantel, H. (2012): Praxis der Sprachtherapie und Sprachheilpädagogik. Bd. 9: Unterstützte Kommunikation in der Sprachtherapie. Bausteine für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.München, Basel: E. Reinhardt.
- Kitzinger, A., Kristen, U. & Leber, (Hrsg.) (2008): Jetzt sag ich's Dir auf meine Weise … Erste Schritte in Unterstützter Kommunikation mit Kindern. Karlsruhe: Von-Loeper-Literaturverl.
- Kristen, U. (2000): Unterstützte Kommunikation in der Praxis. Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft 5, 4, 1–11.
- Leech, E.R.B. & Cress, C.J. (2011): Indirect facilitation of speech in a late talking child by prompted production of picture symbols or signs. Augmentative and alternative communication (Baltimore, : 1985) 27, 1, 40–52.
- Lüke, C. & Vock, S. (2019): Unterstützte Kommunikation bei Kindern und Erwachsenen. Praxiswissen Logopädie. Springer: Heidelberg.
- Millar, D.C., Light, J.C. & Schlosser, R.W. (2006): The Impact of Augmentative and Alternative Communication Intervention on the Speech Production of Individuals With Developmental Disabilities. A Research Review. Journal of Speech Language and Hearing Research 49, 2, 248.
- Pivit, C. (2008): Individuelle Kommunikationssysteme. In: von Loeper Literaturverlag & isaac- Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation e.V. (Hrsg.): Handbuch der Unterstützten Kommunikation (01.006.001-01.017.001). Karlsruhe: Von Loeper Literaturverlag.
- Schlosser, R.W. (2001): Augmentative and alternative communication perspectives series: The efficacy of augmentative and alternative communication. Amsterdam, Boston: Academic Press.
- Schlosser, R.W. & Wendt, O. (2008): Effects of Augmentative and Alternative Communication Intervention on Speech Production in Children With Autism. A Systematic Review. American Journal of Speech-Language Pathology 17, 3, 212.
- von Tetzchner, S. & Martinsen, H. (2000): Einführung in Unterstützte Kommunikation. Heidelberg:Winter.
- Walker, V.L. & Snell, M.E. (2013): Effects of augmentative and alternative communication on challenging behavior. A meta-analysis. Augmentative and alternative communication (Baltimore, Md.: 1985) 29, 2, 117–131.
- Wilken, E. (2005): Kooperation mit den Eltern in der Frühförderung bei der "Gebärden-unterstützten Kommunikation". In: Boenisch, J. & Otto, K. (Hrsg.): Reihe Unterstützte Kommunikation: Leben im Dialog. Unterstützte Kommunikation über die gesamte Lebensspanne (135–144). Karlsruhe: Von-Loeper-Literaturverlag.
- Wilken, E. (Hrsg.) (2018): Unterstützte Kommunikation. Eine Einführung in Theorie und Praxis. 5. Auflage. Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag.
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